Die 13 Bänder der Heilung

Kapitel 3 – Heilung

Heilung erleben wir, wenn wir unserer Sehnsucht nach Ganzheit folgen.

 Heilung ist mehr als Genesung. Etymologisch betrachtet geht das Wort genesen auf das griechische neomai zurück und bedeutet, einer Gefahr entkommen zu sein. Das Wort Heilung hingegen ist sprachgeschichtlich verwandt mit vielen anderen ähnlich klingenden Wörtern aus der germanisch- keltischen Sprachfamilie z.B. mit dem englischen whole = ganz, hale = frisch und holy = heilig.

Diese drei genannten Qualitäten durchdringen unser ganzes Sein, wenn wir uns den Bändern der Heilung sowie dem damit einhergehenden Prozess von Leben, Tod und Wiedergeburt anvertrauen. (Siehe dazu auch Kapitel 1 – Die 13)

Die Bänder der Heilung tragen uns zurück nach Hause in den unendlichen geheimnisvollen Raum unserer Seele. Wir alle verkörpern nur Fragmente unserer Seele und bergen in uns die Sehnsucht, mehr von unserer Seele zu erfahren und zwar innerhalb der physischen Form, die wir für die aktuelle Inkarnation gewählt haben – unserem Körper.

Wir werden mit dieser Sehnsucht geboren.  Wir sehnen uns danach, unseren seelischen Reichtum hier auf die Erde zu bringen, alle unsere Gaben zu verwirklichen, denn wir sind durchströmt von Liebe.

Leben, Liebe, Leib haben denselben Wortstamm lb; d.h. unser Leben, die Liebe und unser Leib gehen aus derselben Wurzel hervor.

Wir erschaffen uns einen physischen Leib, weil wir hier auf Erden leben wollen, und wir wollen leben, um unsere Liebe in die Welt zu bringen. Diese Liebe ist schier grenzenlos, und zu Beginn schenken wir sie ohne Wenn und Aber denen, die uns das Leben geschenkt haben und unseren Leib versorgen – unseren Eltern.

Der Anblick meiner neugeborenen Tochter – dieses vollkommen schutzlosen Wesens, das in der Kissenlandschaft des Familienbettes mit ausgebreiteten Ärmchen vertrauensselig schlief -, war für mich eine Offenbarung. Mit der Schärfe eines feurigen Pfeils traf mich die Erkenntnis:  Genauso bin auch ich dereinst, auf diese Welt gekommen.  Jedes menschliche, tierische und pflanzliche Leben beginnt mit einer nahezu unerträglichen Zartheit und Hingabe. Geboren werden heißt sich verschenken an die Welt mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Und diese Welt, die wir Menschen miteinander hervorbringen, ist kein Paradies. Auch Eltern, die ihr Bestes geben, sind verletzte Frauen und Männer. Diese Verletzungen reichen sie weiter – vorzugsweise an die eigenen Kinder, die ihnen anheimgegeben bzw. mehr oder weniger ausgeliefert sind.

Was immer auch die Eltern mit den Kindern anstellen – die Liebe der Kinder bleibt über weite Strecken ungebrochen. Das kann ich bei meiner Arbeit in einem pfälzischen Kinderheim immer wieder beobachten. „Alle Kinder wollen heim.“ (Ulla Meinecke). Dieses Geschenk der Liebe kann Eltern zutiefst verstören; sie meinen dann, sich mit allen Mitteln dagegen wehren zu müssen. So erzählte mir eine Klientin, wie ihre Mutter den selbstgepflückten Blumenstrauß umgehend in den Abfalleimer stopfte. Geliebt zu sein kann sehr gefährlich erscheinen.

Weil für uns als Babys Leben, Liebe und Leib miteinander verschmelzen fühlen wir uns extrem verunsichert und bedroht, sobald wir spüren, dass uns unsere Eltern nicht ebenfalls mit reiner Liebe begegnen. Die Existenzangst erwacht.  Wer füttert uns, wer versorgt uns, wenn Mama und Papa uns ablehnen oder nicht erreichbar sind? Müssen wir sterben?

Wir machen die Erfahrung, dass unsere Eltern uns Liebe nur unter Bedingungen geben, und um die Liebe nicht zu verlieren oder überhaupt erst zu erhalten, tun wir alles. Wir fangen an zu kämpfen. Wir buhlen um Aufmerksamkeit. Vielleicht fordern wir diese ein, indem wir quengeln, plärren, schreien, kratzen, beißen und unsere Eltern zur Weißglut bringen. Wir erleben, dass wir für dieses Verhalten bestraft werden, die ersehnte Liebe erst recht verlieren.

Oder aber wir strengen uns an brav zu sein, um unseren Eltern zu gefallen. Wir entwickeln ein untrügliches Gespür für die Bedürfnisse und Erwartungen von Mama und Papa, richten uns ganzes Sein danach aus, diese geheimen Hunger zu stillen. Wir erfahren tiefe Frustration, weil wir dabei immer wieder scheitern, unsere Eltern nie  oder nur sehr selten so glücklich – das heißt so stabil – erleben, wie wir uns das wünschen.

Kinder, die mit gefühlskalten Eltern aufwachsen machen zusätzlich die Erfahrung, dass ihr Mühen mit Verachtung beantwortet wird. Das führt zu tiefer Resignation und Selbstablehnung.

Wie auch immer – früher oder später verleugnen wir unsere wahre Natur.

Unsere Eltern sind eingebunden in eine hierarchisch aufgebaute und leistungsorientierte Gesellschaft, in der auch wir unseren Platz finden müssen oder wollen. Kinder die nicht lernen, ihre wahre Natur zu unterdrücken, werden zum Störfaktor. Sie stellen für das etablierte System eine Bedrohung dar. Auf unterschiedliche Art – vorzugsweise durch Druck und /oder Manipulation -werden sie dazu gebracht sich zu fügen.

Und so legen wir uns allmählich eine Scheinidentität zu, die den Vorgaben unserer Eltern, unserer Lehrer, Verwandten, Nachbarn etc. entspricht. Wir lernen zu funktionieren und uns zu verstellen. Zumindest hin und wieder werden wir mit Liebe und Zuwendung dafür belohnt. So merken wir nicht, welch hohen Preis wir bezahlen. Unsere weichen biegsamen Kinderkörper verhärten immer mehr. Wir legen uns Strategien und Panzer zu, die uns davor schützen, mit unserem wilden gefährlichen Selbst in Berührung zu kommen.

Wir werden erwachsen und sind selten wirklich glücklich. Wir reden uns ein, dass unser Glück von unseren Lebensumständen abhängt und fühlen uns als Opfer derselben. Oder aber wir halten Glück sowieso für eine Illusion, verlassen uns lieber auf Status und Geld. Oder wir wiederholen die Schmerzgeschichten aus der Kindheit dermaßen zwanghaft, dass wir uns Glücklichsein nicht einmal mehr vorstellen können.

Wir leiden, weil wir von unserer wahren Natur getrennt sind, doch die erwachende Sehnsucht danach erleben wir als Bedrohung: Denn diese Sehnsucht erwacht grundsätzlich gemeinsam mit der 13 (siehe Kapitel 1) und stellt unsere mühsam errungenen Sicherheiten in Frage. Um diese nicht zu verlieren geben wir uns mit einem sozial verträglichen Bruchteil unseres Selbstes zufrieden, zementieren und verteidigen unsere Abspaltung.

Bildlich gesprochen tragen wir in uns zwar alle Farben des Regenbogens, doch wir haben uns entschlossen, ausschließlich in ein und derselben Farbe zu erscheinen, weil wir damit am besten durchkommen – z.B. in Gelb: Wir sind prinzipiell nett und gut gelaunt, haben stets einen aufmunternden Spruch oder den passenden Witz auf Lager, spielen in allen Arenen unseres Lebens den Sonnenschein. Davon dass es Elend gibt auf der Welt, ja, dass wir uns selber manchmal elend fühlen, wollen wir nichts wissen.. Wir entfachen ein fadenscheiniges Leuchtfeuer an der Oberfläche, das weder uns noch andere wirklich wärmt. Hin und wieder erlauben wir uns zwar ein bisschen Orange, doch allzu rot darf es niemals werden und die Vorstellung, auch violett zu verkörpern liegt komplett außerhalb unserer Vorstellungskraft. Wahrscheinlich empfinden wir diese Farbe als feindlich, fliehen vor ihr oder bekämpfen sie.

Es geht noch schlimmer: Haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir sofort eins auf den Deckel kriegen, wenn wir wagen, überhaupt etwas von unserer Farbigkeit zu zeigen,suchen wir Schutz in der Unscheinbarkeit und vergraben uns in immerwährender Gräue.

Mit den verleugneten Anteilen kommen wir vor allem dann in Kontakt, wenn wir uns seelisch oder physisch krank fühlen, einen Unfall erlitten und Verletzungen davongetragen haben, wenn ein Verlust, eine schwere Krise unser vertrautes Lebenskonzept brüchig werden lässt oder mit einem Schlag in Stücke reißt. Die Sehnsucht nach Ganzwerdung, nach Heilung erwacht.

Und genau deshalb konfrontiert uns das Leben mit diesen Erfahrungen. Viele Menschen brauchen die Erschütterung um die Sehnsucht zulassen zu können. Sie realisieren endlich, in welchem Ausmaß sie seit Jahren ihr wahres Potential unterdrücken und dadurch jede Menge Energie verlieren.

Begreifen wir die Krise als Chance führt sie uns zu neuen Ufern. Wir schütteln ab, was uns hemmt und einsperrt, wir schmecken wieder die Würze und Süße des Lebens, wir kommen uns selber nahe wie nie zuvor. Wir besinnen uns uns auf das, was uns wirklich Freude macht, auf alte Träume, die sich einfach nicht begraben ließen. Wir werfen den Job hin, der uns stumpfsinnig und krank werden lässt, wir trauen uns zu, unsere verkümmerten Talente aus dem Dornröschenschlaf zu holen und uns unserer wahren Lebensaufgabe zu widmen. Wir verabschieden uns aus Beziehungen, die leblos geworden sind, oder einen steten Angriff auf unseren Selbstwert darstellen und gehen neue Verbindungen ein, die uns wirklich nähren und inspirieren. Oder aber wir öffnen uns voll und ganz für die Kostbarkeit bestehender Beziehungen und verändern sie so, dass ein erfüllendes und berührendes Miteinander anstelle des vormaligen Nebeneinanders möglich wird. Die Literatur ist voll von solchen ermutigenden Beispielen. Verwiesen sei hier auf Clemens Kuby (https://de.wikipedia.org/wiki/Clemens_Kuby ) und Anke Evertz (https://anke-evertz.de/ )

Drücken wir hingegen die Sehnsucht nach Heilung auch während der Krise in uns nieder, beschränken wir uns auf die Vorstellung von Genesung dann bedeutet das in vielen Fällen: Wir wollen den Zustand zurück, der uns letztlich krankgemacht hat. Dann finden wir nur schwer oder auch gar nicht aus der Krise heraus.  Der Heilungsprozess verzögert sich oder kommt ganz zum Erliegen, mündet unter Umständen sogar in den Tod als einzige Möglichkeit, unser einschnürendes Korsett endlich abzuwerfen.

Schaue ich mich in meinem Radius um so fällt mir auf, dass viele körperliche und seelische Krisen schon seit Jahren vorhersehbar waren, von den Betroffenen aber so erlebt werden, als seien sie aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen. Die Unterdrückung unserer Sehnsüchte erfordert einen erheblichen Energieaufwand, den wir aber oft nicht bemerken, weil wir von Kindesbeinen an daran gewohnt sind.

Diejenigen, die spüren dass sie durch das Eindämmen Kraft verlieren, haben eher die Chance zu erwachen als diejenigen, die mit einer hohen Vitalität gesegnet sind und all ihre Energie dazu nutzen, die verborgenen Sehnsüchte in Schach zu halten – zum Beispiel durch ein exzessives Arbeitsverhalten oder extremen Leistungssport. Das verschafft eine scheinbare Lebendigkeit, die irgendwann verpufft wie die Luft aus einem aufgeblasenen Ballon. Ein verschrumpeltes Häutchen bleibt zurück, in dem die Betroffenen sich überhaupt nicht mehr wiedererkennen.

Eine rostige Rüstung ist leichter abzulegen als eine, deren Glanz uns selber blendet. Wie auch immer die Rüstung beschaffen ist – verborgen im Inneren, an einem Ort, der nicht zugänglich scheint, brennt die Flamme unserer Sehnsucht: Unser wahres Wesen will ans Licht.

Unsere wahre Natur ist immer wach, auch wenn wir zu verpennt sind, um ihr Vorhandensein zu realisieren. Sie schert sich nicht darum ob wir etwas von ihr wissen wollen oder nicht.

Stress, Langeweile, Gefühle von Sinnlosigkeit, Überdruss, Müdigkeit, überschießende Nervosität, inneres Rotieren, Verzagtheit, grundlose Traurigkeit, Herzrasen und -schmerzen, Panikattacken u.v.m. sind die Botschaften unserer vor sich hin kümmernden wahren Natur. Sie bereitet damit ihren Durchbruch vor. Wie der Löwenzahn, dem kein Beton und kein Asphalt auf Dauer gewachsen ist, wird sie eines Tages unser Panzerkleid sprengen.

Growing yellow flower sprout in ground

Sie ist die Macht, die durch keine Autorität und kein Regelwerk außer Kraft gesetzt werden kann.

Sie wird sich immer durchsetzen – dann wenn die Zeit reif ist.

Sie lässt nicht zu, dass wir sie dauerhaft verleugnen und uns damit selbst kränken.

Sie ist eins mit unserem Ja zum Leben.

Sie ist der Grund, warum wir uns hier und heute inkarniert haben.

Sie ist das heilige Feuer in uns, und dieses Feuer will lodern, will wachsen, will sich verschenken.

Sie macht uns zu glücklichen und gesunden Menschen.

Sie spricht zu uns mit der Stimme der Sehnsucht.

Dramatische Einbrüche im Laufe unserer Biografie sind nicht zwingend notwendig, wenn wir es uns zur Gewohnheit machen, der Stimme unserer Sehnsucht zu lauschen. Diese Stimme zu identifizieren ist nicht einfach, denn sehr oft geht sie unter im Getöse unseres inneren Dialoges. Sie ist sehr fein und wird dann vernehmbar, wenn wir es wagen still zu sein. Niemals wird sie uns in Angst versetzen, uns etwas ein- oder ausreden, uns mit der Aufzählung von Hindernissen und immer neuen Einwänden zermürben. Sie bedient sich einer sehr einfachen Sprache. Und letztlich lautet ihre Botschaft immer: Tue was Dich glücklich macht. Gehe wohin Dein Herz Dich trägt. Vertraue Dir und dem Leben! Lass Dein Licht leuchten! Sei mutig! Du bist frei!

Folgende Fragen sind hilfreich, damit die Stimme der Sehnsucht sich bemerkbar machen kann. Stelle sie dir am besten tagtäglich:

  • Was stimmt für mich, was nicht?
  • Welche ungelebten Träume schleppe ich mit mir herum? Welches Risiko müsste ich eingehen, um sie zu verwirklichen?
  • Welche faulen Kompromisse hindern mich daran, einfach glücklich zu sein?
  • Vor welcher Veränderung schrecke ich am meisten zurück? Welchen Konflikt will ich unbedingt vermeiden?
  • Was erfüllt mich?
  • Wann, wo und wie hat mich heute das Glück berührt? Inwieweit habe ich es zugelassen?

Sind wir wahrhaftig im Umgang mit diesen Fragen spüren wir immer deutlicher: Das Leben beschenkt uns Tag für Tag mit Gelegenheiten uns zu heilen.  Das Leben ist der Heilungsprozess.

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